Rätselhafte Riesenwelle an der Meeresschule –
Ein meteorologischer Tsunami

Am 11.07.2017 ereignete sich am Abend zwischen 21:00 und 22:00 in Valsaline ein unglaubliches Meeresphänomen:
Es war gerade ein weiterer schöner Tag des Meeresbiologischen Seminares vorübergegangen und ich bestieg mein Auto, um noch schnell im Sandwichclub eine kleine Jause zu mir zu nehmen. Meine Mitarbeiter riefen mir noch zu, dass der Wasserspiegel in der Bucht gerade unglaublich hoch sei. Ich zeigte mich kurz begeistert, der Hunger überwiegte aber dann doch. Ich stieg also nicht mehr aus dem Auto und machte mich auf den Weg zum wohlverdienten Fast-Food-Dinner. Für mich war klar: Wir hatten Vollmond – Es dürfte also eine starke Springflut im Gange sein – soweit nichts Ungewöhnliches. Hätten mir meine Leute gesagt, dass der Wasserspiegel innerhalb von 2 Minuten um 1,5m!! schwankt, dann hätte ich sie wohl für verrückt erklärt, wäre aber mit Sicherheit wieder aus dem Auto ausgestiegen. So konnte ich persönlich dieses Phänomen leider nicht beobachten. Zum Glück gibt es ein eigenes Video (siehe weiter unten – mit dem Handy gefilmt) und ein Video, das Einheimische auf YouTube veröffentlicht hatten (siehe unten).

Spannende Literatur zu den Wetterphänomenen der Adria

Video eines Einheimischen. Man sieht die ersten Tsunamiwellen. Sie sind noch besonders hoch und treten in Abständen von wenigen Sekunden auf. Man beachte die unglaublichen Wasserströme, die sogar den Schwimmsteg unter Wasser drücken. Ein Mann geht zu einer Mülltonne, um sie zu entleeren. Beim Rückweg steigt ihm das Wasser binnen weniger Sekunden bis zu den Hüften…

Als ich eine Stunde später wieder nach Valsaline kam fand ich das totale Chaos. Der Katamaran vom Segelclub war umgestürzt, der Schwimmsteg war schwer beschädigt, das Strandhäuschen von der Beachbar war vom Strand gespült. Ich betrachtete das Video am Handy meiner Mitarbeiter und versuchte eine Erklärung für diese gewaltigen Wasserspiegelschwankungen zu finden. Es gibt mehrere Wetterphänomene in der Adria, die zu starken Schwankungen des Wasserspiegels führen können: Springtiden, Sturmfluten, Seiches. Keines dieser Phänomene kann allerdinges den Meeresspiegel in nur 2 Minuten um 1,5 steigen und wieder sinken lassen. Diese Schwankung traten ca. 5-10 mal hintereinander mit abnehmender Intensität auf. Die einzige Erklärung war für mich ein Tsunami. Ich wartete also die Medienberichte der nächsten Tage ab weil ich überzeugt davon war, dass viele Küstenregionen der oberen Adria betroffen waren. Nichts dergleichen geschah. Es war regelrecht gespenstisch. Dieses Phänomen hat sich scheinbar nur in der Meeresbucht der Meeresschule abgespielt.

Heute in der Früh – ein Jahr nach diesem Vorfall – sitze ich im Büro nach einem Kaffee am Markt und nimm mein neues Buch (Adriatic weather) in die Hand. Ich finde einen kleinen Absatz in diesem Buch, der mir endlich Antworten zu meinen bisher ungelösten Fragen liefert:

Meteoroligische Tsunamis in der Adria

Dieses sehr seltene Wetterphänomen wurde lokal bereits in einigen kleinen Regionen der Adria beobachtet. Vor allem betrifft es Meeresbuchten, die gegen NW ausgerichtet sind. Beobachtet wurde dieses Phänomen bereits in der Bucht Stari Grad auf der Insel Hvar, in der Bucht Veli Luka auf der Insel Korcula, in der Bucht von Mali Ston ebenfalls in diesem Gebiet und unter anderem auch auf der Insel Pag. Dr. Ivica Vilibic, ein Ozeanologe aus Spilt beschrieb zusammen mit seinem Team dieses Phänomen. Es wird ausgelöst wenn mehrere Wetterphänomene wie bei einer Resonanzverstärkung plötzlich zusammentreffen. Plötzliche schnelle Luftdruckabfälle in Kombination mit Zyklonen, die sich schnell der Küste nähern und noch weitere meteorologische Phänomene können zu diesen gewaltigen Wasserspiegelschwankungen in einzelnen Meeresbuchten in kürzester Zeit führen. Katastrophal kann sich das auswirken wenn Boote an festen Molen oder Bojen festgemacht sind. Leider kann man dieses Phänomen weder im Voraus berechnen noch voraussagen. Dazu kommt, dass die Wissenschaft die Zusammenhänge noch lange nicht geklärt hat. Es ist aber anzunehmen, dass im Zuge des Klimawandels, der immer häufiger zu chaotischen Wetterphänomenen führt, die Wahrscheinlichkeit von meteorologischen Tsunamis steigen wird. Da die Meeresbucht vor der Meeresschule offensichtlich empfänglich für diese Art von Tsunamis ist, sind wir in Zukunft gewarnt und werden auf unsere Boote sehr acht geben.

Dr. Ivica Vilibic (Ozeanografisches Institut Split) bestätigte meine Vermutungen:

„…indeed that was meteotsunami, as we recorded similar waves further southeast along the coast on 11 July. I looked on the shape of the Valsaline Bay, and it seems to have large amplification factor of incoming meteotsunami waves, i.e. being slightly elongated and decreasing with depth toward its head…“

Das Video unserer Mitarbeiter. Man sieht nur mehr die ausklingenden Wellen des Tsunamis. Diese treten schon in längeren Zeiträumen (1-2min) auf und haben auch nicht mehr die volle Amplitude. Das Video ist sehenswert wegen der Originalkommentare, die die große Verwunderung ausdrücken…